Da eine Tautomerisierung die Ursache für die Instabilität des zu untersuchenden Moleküls ist, muß an dieser Stelle kurz auf die Tautomerie als solche eingegangen werden.
Unter Tautomerie versteht man die Tatsache, daß es bei bestimmten Verbindungen zu einer Summenformel zwei Isomere gibt, die sich durch Umlagerung eines Wasserstoffatoms und entsprechender Verschiebung von Elektronenpaaren ineinander umwandeln können.
Dabei bezeichnet Tautomerie im eigentlichen Sinn nur solche Fälle, in denen Heteroatome wie Stickstoff oder Sauerstoff als Bindungspartner für den Wasserstoff beteiligt sind.
Allgemein sind vier Arten der Tautomerie bekannt. Es sind dies
(a) die Keto-Enol-Tautomerie
(b) die Imin-Enamin-Tautomerie
(c) die Nitro-Aci-Nitro-Tautomerie
(d) die Nitroso-Oxim-Tautomerie.
Für die letzten drei Arten seien hier nur kurz Beispiele angeführt:
Abb.3a: Imin-Enamin-Tautomerie: 1-Amino-cyclohexen nach [31].
Abb.3b: Nitro-Aci-Nitro-Tautomerie: p-Nitrophenyl-nitromethan nach [32].
Abb.3c: Nitroso-Oxim-Tautomerie: p-Benzochinon-monoxim nach [32].
Bei der Umwandlung von Cyclohexadienon in Phenol handelt es sich um einen Fall von Keto-Enol-Tautomerie,
weshalb hier etwas näher auf diese Form der Tautomerie eingegangen werden soll. Geprägt wurde der Begriff der Tautomerie von Butlerow (1877) und Laar (1885). Eine sehr frühe
Bedeutung in der Literatur fand der von Geuther 1863 entdeckte Acetessigester. Zwischen Geuther und Frankland entbrannte
ein heftiger Streit über die richtige Strukturformel für diese Verbindung. Erst Knorr konnte dann 1911 zeigen,
daß hier ein Fall von Tautomerie vorliegt und so eigentlich beide recht hatten.
Abb.4: Acetessigester. (a) Keto-Form, (b) Enol-Form
Die Keto-Enol-Tautomerie spielt vor allem bei den Reaktionen von Carbonylverbindungen eine bedeutende Rolle.
Der erste Mechanismus, der eine Enolisierung des Ketons als geschwindigkeitsbestimmenden Schritt beinhaltete, wurde 1904
von Lapworth [23] für die Halogenierung von Ketonen vorgeschlagen.
Seitdem sind viele tausend Veröffentlichungen zu diesem Thema erfolgt und Toullec [12] bezeichnet die Enolisierung gar als 'einen der am besten dokumentierten Prozesse in der organischen Chemie'.
Die Mechanismen der Enolisierung im speziellen und der Tautomerisierung im allgemeinen sind folgende: Eine Base deprotoniert das Keton am a-Kohlenstoff (CH-Acidität) und bildet so das Enolat-Anion, welches
anschließend wieder protoniert wird. Die Lage des Gleichgewichtes zwischen Enol und Keton wird nun ganz
entscheidend davon bestimmt, an welcher Stelle die Protonierung leichter erfolgt, oder mit anderen Worten: welches Zentrum
basischer ist.
2.3 Geschichte und Bedeutung der Keto-Enol-Tautomerie
2.4 Enolisierungsmechanismen und Gleichgewichtslage
2.4.1 Basenkatalyse
Enol | Keton | ||
---|---|---|---|
C-O | 360 kJ/mol | C=O | 804 kJ/mol |
O-H | 465 kJ/mol | C-H | 390 kJ/mol |
C=C | 611 kJ/mol | C-C | 348 kJ/mol |
gesamt: | 1436 kJ/mol | gesamt: | 1542 kJ/mol |
Die Zahlen stellen natürlich nur ungefähre Mittelwerte dar, aber man sieht, daß die Energiedifferenz leicht 100 kJ/mol betragen kann, was das Gleichgewicht natürlich beträchtlich zugunsten des Ketons verschiebt. Ist jedoch die Enolform durch Delokalisation oder andere Effekte (z.B. Ringbildung über Wasserstoffbrücken) energetisch abgesenkt, so kann das Enol durchaus beträchtliche Gleichgewichtskonzentrationen besitzen (beim oben angesprochenen Acetessigester zum Beispiel 7,5%), in manchen Fällen überwiegt es sogar (2,4-Pentandion liegt zu 80% als Enol vor).
Eine Säure protoniert das Keton am Sauerstoff und das so entstandene Kation gibt seinerseits wieder ein Proton ab. Ob das Proton vom a-Kohlenstoff oder vom Sauerstoff abgegeben wird hängt nun ganz analog dem oben Gesagten von der Acidität der entsprechenden Atome ab. Da die Acidität zur Basizität, die im obigen Fall bestimmend war, komplementär ist, stellen sich gleiche Verhältnisse ein.
Abb.6: Mechanismus der säurekatalysierten Enolisierung Hierbei wird das Metallion vom Carbonyl-Sauerstoff koordiniert, was zu einer positiven Partialladung im Molekül
führt, welche die CH-Acidität heraufsetzt und so die Enolisierung einleitet. Da die meisten Carbonyl-Komplexe
jedoch nicht sonderlich stabil sind ist der katalytische Effekt meist nicht groß.
Abb.7: Metallionenkatalysierte Enolisierung Neben diesen Mechanismen werden in der Literatur noch Sonderfälle wie konzertiert basisch-saure und
intramolekulare Katalyse beschrieben, deren Diskussion hier aber zu weit führen würde.
Oben wurde kurz der Effekt einer energetischen Stabilisierung des Enols angesprochen. Besonders drastisch ist dieser
Effekt, wenn die Stabilisierung eine Aromatisierung beinhaltet. Die energetische Absenkung wird dann so groß,
daß das Keton im Gleichgewicht praktisch nicht mehr vorkommt. Dies ist der Grund für die ausgeprägte
Instabilität der Cyclohexadienone, denn wie oben bereits gesagt, stellen sie die Keto-Formen der Phenole dar, die
formal als Enole betrachtet werden müssen. Nun ist aber für die Stabilität ja nicht allein die Thermodynamik ausschlaggebend, sondern auch die
Kinetik. Protonenaustauschprozesse verlaufen jedoch meist so schnell, daß auch von der Kinetik her im allgemeinen
keine Stabilisierung der Cyclohexadienone zu erwarten ist. Und doch liegt hierin die Chance, die in der vorliegenden Arbeit
ausgenutzt werden sollte, denn nach den oben beschriebenen Mechanismen braucht das Keton einen Reaktionspartner, an
den das Proton abgegeben, beziehungsweise von dem es aufgenommen werden kann. In kondensierter Phase findet sich ein
solcher Partner leicht; in der Gasphase, zumal bei sehr kleinen Drücken, sollte die Lebensdauer der Cyclohexadienone
jedoch länger sein, da erstens die Konzentration der Reaktionspartner minimal ist und zweitens die Zahl der
Stöße im Vergleich zur kondensierten Phase ebenfalls geringer gehalten wird. Wie oben bereits angedeutet sind die Chancen, das Cyclohexadienon zu erhalten, wohl am größten, wenn
die Herstellung in verdünnter Gasphase erfolgt. Dabei ist die Mikrowellenspektroskopie (wie die flowing-afterglow-
Technik) besonders gut zum Nachweis geeignet, da hier ohnehin in der Gasphase bei geringen Drücken gearbeitet
werden muß. Der Nachweis muß also idealerweise so verlaufen, daß das zu spektroskopierende
Molekül unmittelbar vor der Meßzelle erzeugt, schnell in diese eingebracht und vor einer möglichen
Umlagerung wieder aus der Zelle entfernt wird. Diese Voraussetzungen kann man nur dann erfüllen, wenn man die
Meßzelle im schnellen Durchfluß betreibt.
Die Darstellungsmethode muß also kontinuierlich und genügend schnell ablaufen können.
Hierfür wurde von Lasne, Ripoll und Denis [4] eine Retro-Diels-Alder-
Reaktion vorgeschlagen, in der aus einem Vorläufermolekül Cyclopentadien thermisch abgespalten wird.
Shiner, Vorndam und Kass [5] griffen diese Methode auf und verwendeten sie
ebenfalls. Nachdem sich dieses Vorgehen anscheinend in beiden Fällen als erfolgreich erwiesen hatte, gab es keine
Gründe, die gegen diese Darstellungsweise gesprochen hätten.
In beiden Fällen wurde als Ausgangsverbindung das formale Additionsprodukt des Cyclohexadienons mit
Cyclopentadien (VI) verwendet. Somit war auch schon die Frage nach einer geeigneten Ausgangsverbindung beantwortet.
Die Vorläuferverbindung wurde auf zwei unabhängigen Wegen hergestellt. Ein Weg führte
über eine Diels-Alder-Reaktion zwischen Butadien und Norbornadien (nach [6]) und eine Oxidation des Kohlenwasserstoffs (III) mit Selendioxid zum entsprechenden Allylalkohol (IV). Beim
anderen Weg, zu diesem Alkohol zu gelangen, wurde von 1-Trimethylsilyloxy-1,3-Butadien ausgegangen, das (nach [5]) ebenfalls mit Norbornadien in einer Diels-Alder-Reaktion umgesetzt wurde. Aus
dieser Silylverbindung (V) wurde der Alkohol (IV) dann durch Hydrolyse mit Chlorwasserstoff in wäßrigem
Tetrahydrofuran gewonnen. Schließlich wurde der Alkohol (IV) mit Pyridinium-Chlorochromat (PCC) zum Keton (VI)
oxidiert, das die gewünschte Vorläuferverbindung darstellte.
Abb.8: Syntheseplan zur Darstellung des Vorläufers auf zwei Wegen.
Dabei erwies sich der Weg über die Silylverbindung als günstiger, da bei der Oxidation des
Kohlenwasserstoffs (III) mit Selendioxid nur im Unterschuß an Oxidationsmittel gearbeitet werden kann und so zur
vollständigen Umsetzung einer Menge des Kohlenwasserstoffs (III) mehrere Reaktionsansätze gemacht werden
müssen. Bei der Mikrowellenspektroskopie werden Übergänge zwischen Rotationsniveaus induziert. In die
entsprechenden Terme für die einzelnen Energieniveaus - und damit natürlich auch deren Differenzen - gehen
die Trägheitsmomente um die 3 Hauptträgheitsachsen ein. Diese Trägheitsmomente, beziehungsweise die
daraus abgeleiteten Rotationskonstanten, sind wiederum ausschließlich durch die Molekülgeometrie, also
Bindungsabstände und -winkel, sowie die beteiligten Atommassen bestimmt. Es war daher wünschenswert einen
ersten Anhaltspunkt für die Molekülgeometrie zu erhalten, um einen Überblick über das zu
erwartende Rotationsspektrum zu gewinnen. Dazu folgende Überlegungen:
Prinzipiell könnte das Molekül in einer ebenen oder einer nicht-ebenen Ringstruktur vorliegen. Bei einer
nicht-ebenen Geometrie wären wiederum drei Fälle denkbar:
Abb.9: Mögliche Konformationen des Cyclohexadienons. (a) Halbsesselform, (b) Sesselform, (c) Wannenform.
a) fünf (Ring-)Atome in einer Ebene und das dem Carbonylkohlenstoff gegenüberliegende
Kohlenstoffatom aus der Ebene herausgekippt.
b) Sesselkonformation: Carbonylkohlenstoff und gegenüberliegender sp2-Kohlenstoff auf
entgegengesetzten Seiten des Ringes.
c) Wannenkonformation: Carbonylkohlenstoff und gegenüberliegender sp2-Kohlenstoff auf derselben
Seite des Ringes.
Möglichkeit a) scheint zunächst aufgrund der möglichen Konjugation der Carbonylgruppe mit den
seitlichen Doppelbindungen sinnvoll zu sein, scheidet aber aus demselben Grund aus, wie Möglichkeit b): wird das
sp2-hybridisierte Kohlenstoffatom C4 nämlich aus der Ringebene herausgekippt, so
führt dies bei einem gleichzeitigen Verbleib des Carbonylkohlenstoffs C1 in der Ringebene zu einer
Verdrillung der p-Orbitale der Kohlenstoffatome C2 und C3 einerseits sowie C5 und
C6 andererseits. Diese Verdrillung ist noch stärker, wenn C1 auch noch auf die andere Seite
des Ringes gekippt wird (vgl. Abb.10).
Die Wechselwirkungen der beiden p-Elektronenwolken der an den Doppelbindungen beteiligten Kohlenstoffatomen
C2, C3, C5 und C6 sind so stark, daß der energetisch negative Effekt
der Verdrillung den positiven Effekt der zusätzlichen Konjugation mit der Carbonylgruppe bei Möglichkeit a)
übersteigt und Möglichkeit b) ganz verhindert. Durch die beiden Doppelbindungen sind die
gegenüberliegenden Ecken quasi gekoppelt und können sich nur immer in dieselbe Richtung bewegen. Die
einzig realisierbare nicht-ebene Struktur wäre also eine Wannen-Form, in der die p-Orbitale kaum gegeneinander
verdrillt werden müssen.
Abb.10: Verdrillung der p-Orbitale bei einer Sesselkonformation. Um Anhaltspunkte für die tatsächlich vorliegende Struktur zu erhalten, wurde zunächst aus
vergleichbaren Daten bekannter Moleküle eine grobe Struktur zusammengestellt, wobei eine planare Anordnung des
Ringes vorausgesetzt wurde. Diese erste Näherung wurde dann mit einem semi-empirischen Verfahren (MAXIMIN 2,
integriert in ein molecular-modelling-Programm namens SYBYL) optimiert. Dazu wurden zunächst die
Partialladungen nach dem Gasteiger-Hückel-Verfahren berechnet (σ-Anteile nach Gasteiger und Marsili [24], p-Anteile nach Hückel [25]) und
dann die Molekülgeometrie unter Berücksichtigung von Bindungsdehnungs-, Winkeldeformations-, Torsions-,
out-of-plane-, 1-4-van-der-Waals-, van-der-Waals-, 1-4-elektrostatischer und elektrostatischer Energien optimiert. Das so
optimierte Molekül zeigte ebenfalls eine ebene Struktur.
Auch ein gewinkeltes Ausgangsmolekül wurde in die oben erwähnte ebene Konformation
überführt. Die Rechenzeit betrug dabei auf einer Silicon Graphics 'Personal Iris'-Workstation etwa 10 Sekunden.
Um jedoch noch sicherer zu gehen wurde noch eine quantenmechanische ab-initio Rechnung durchgeführt. Obwohl mathematisch exakt nur das Zweikörperproblem der wasserstoffähnlichen Atome, also H,
He+, Li2+, usw. lösbar ist, gibt es inzwischen durch den Einsatz schneller und
leistungsfähiger Rechner einige Methoden, die dem Spektroskopiker theoretische Daten in die Hand geben, mit denen
sich sinnvoll arbeiten läßt.
Eine dieser Methoden ist die sogenannte self-consistent-field-Methode (SCF), die von Douglas Hartree Ende der 20er
Jahre entwickelt wurde. Hartree verwendete dafür als Basisfunktionen Produkte von Ein-Elektronen-Orbitalen. 1930
wurde diese Methode von Vladimir Fock verbessert, indem er Slater-Determinanten als Basisfunktionen wählte.
Das Problem, das bei der quantenmechanischen Lösung von Mehrteilchenproblemen auftritt, ist, daß sehr
viele Terme im vollständigen Hamiltonoperator auftreten: Operatoren für die kinetische Energie der Kerne und
der Elektronen, Operatoren für die elektrostatischen Wechselwirkungen zwischen Elektronen und Kernen, Operatoren
für die Wechselwirkungen der magnetischen Momente aus Kernspin, Elektronenspin und Bahndrehimpuls, sowie ein
Operator, der den relativistischen Effekten Rechnung trägt [22]. Einige dieser
Teiloperatoren verhindern eine Separation der Gleichung und damit eine analytische Lösung .
Meist werden deshalb der relativistische Term und die magnetischen Wechselwirkungen vernachlässigt, sowie die
Operatoren für die Kernbewegung durch die Born-Oppenheimer-Näherung eliminiert. Doch die immer noch
übrig bleibenden elektrostatischen Wechselwirkungen können nicht vernachlässigt werden und so kann
selbst dieses vereinfachte System nicht analytisch gelöst werden. Die Wechselwirkung der Kerne untereinander und
der Elektronen mit den Kernen lassen sich dabei noch relativ einfach einbeziehen, da durch die Born-Oppenheimer-
Näherung die Kerne als ortsfest betrachtet werden. Bei der Lösung des Problems für die
interelektronischen Abstoßungen trifft man allerdings auf größere Schwierigkeiten.
Die Idee, die hinter dem Ansatz der SCF-Näherungsmethode steht, ist die, daß man zunächst von
einem möglichst geschickt zu wählenden Basissatz ausgeht. Mit diesem berechnet man eine
Elektronenverteilung, die die interelektronischen Abstoßungen außer Acht läßt. Diese grobe
Verteilung benutzt man, um eine Ladungsdichteverteilung zu berechnen, die dann als Grundlage für ein
elektrostatisches Potential dient, das man in die nächste Iteration einbezieht. So erhält man eine neue, bessere
Elektronenverteilung, die wiederum eine neue, bessere Potentialfunktion liefert. Man wiederholt diesen Vorgang, bis es keine
signifikanten Änderungen mehr gibt. Das so erhaltene Feld ist dann selbstkonsistent.
Als Basissätze können aber nicht nur Slater-Determinanten (Slater-Type-Orbitals) verwendet werden.
Prinzipiell ist dazu jeder orthonormale Basissatz geeignet. Besonders günstig in bezug auf den Rechenaufwand sind
hierzu Gaussfunktionen der Form e-ar2. Sie haben zwar die Nachteile, daß sie für r->0 keine Spitze
aufweisen, wie die wasserstoffähnlichen Eigenfunktionen und für r->unendlich zu schnell abfallen, diese
Nachteile kann man aber bis zu einem gewissen Grad durch geschickte Kombination mehrerer Gaussfunktionen ausgleichen.
Solche Linearkombinationen nennt man dann kontrahierte Gaussfunktionen, wobei die Anzahl der verwendeten primitiven
Gaussfunktionen als Kontraktionsgrad bezeichnet wird. So ist es möglich mit einfachen Gaussfunktionen den
Radialteil der STO's anzunähern.
Zusätzlich stellt sich oft heraus, daß die äußeren Bereiche der Orbitale zu kleine
Aufenthaltswahrscheinlichkeiten erhalten. Man begegnet dem dadurch, daß man für den inneren Bereich ein
STO wählt (beziehungsweise eine angepaßte kontrahierte Gaussfunktion) und für den
äußeren Bereich eine zweite Funktion ansetzt (ebenfalls ein STO oder eine kontrahierte Gaussfunktion). Solche
Basissätze bezeichnet man dann als Doppel-ζ-Basissätze.
Eine weitere Verbesserung erreicht man durch das Einführen von Funktionen mit Symmetrieeigenschaften
höherer Orbitale. Dies führt dazu, daß auch Ladungsverschiebungen in einem Orbital, also Polarisationen,
Rechnung getragen werden kann. Solche Zusatzfunktionen nennt man deshalb auch Polarisationsfunktionen. Mit einem solchen Doppel-ζ-Basissatz mit Polarisationsfunktionen (6-31 G*: eine Kontraktion aus 6
Gaussfunktionen mit s-Symmetrie für den Atomrumpf, eine Kontraktion aus 3 primitiven sp-Schalen - je eine s-
Funktion und drei p-Funktionen mit demselben Exponenten - für den inneren Bereich der Valenzschale und einer
einzelnen sp-Schale für den äußeren Bereich, sowie einer unkontrahierten d-Schale - die 6 Funktionen
zweiter Ordnung dx2, dy2, dz2, dxy,
dxz und dyz als Polarisationsfunktionen) wurde eine ab-initio-Vorrechnung durchgeführt.
Optimiert wurde mit dem Programm GAUSSIAN 86 durch eine restricted Hartree-Fock (RHF)-Rechnung. Das bedeutet,
daß nur Funktionen aus einer Slater- Determinante verwendet wurden und a- und b-Spin-Elektronen
dieselben Orbitale besetzen.
Die Ausgangskonfiguration wies einen Flächenwinkel von 2 Grad zwischen der Dreiecksebene C6-
C1-C2 (Carbonylgruppe) und der Ringebene C2-C3-C5-
C6, sowie einen Flächenwinkel von 10 Grad zwischen der Dreiecksebene C3-C4-
C5 (CH2-Gruppe) und der Ringebene auf. Auch hierbei resultierte eine - im Rahmen der
Konvergenzkriterien - ebene Struktur, die sich allerdings in den anderen Ringparametern etwas von der von SYBYL
errechneten Struktur unterschied. Das Programm benötigte dazu auf einer VAX 6340 insgesamt 290 Stunden reine
CPU-Zeit. In dieser Zeit wurden 46 Iterationen durchlaufen.
Abb.11: Berechnete Struktur des Cyclohexadienons. Winkel sind kursiv
gedruckt. Zusätzlich zu den Geometrie-Parametern berechnete GAUSSIAN unter anderm auch das zu erwartende
Dipolmoment. Dazu wurde die Mulliken-Ladungsverteilung verwendet.
Das Konzept der Mulliken-Ladungen [22] beruht auf den Ladungsdichten, die
man aus den quadrierten Wellenfunktionen erhält. Hat man zum Beispiel ein MO, das aus zwei AO's linearkombiniert
ist
Ψ = c1φ1 + c2φ2,
so erhält man die Elektronendichte durch Quadrieren:
Ψ2 = c12φ12 +
c22φ22 +
2c1c2φ1φ2
Mulliken hat nun vorgeschlagen, diese Terme wie folgt zu deuten: der erste Summand stellt den Beitrag des Orbitals
φ1 zur Elektronendichte am Kern 1 dar, der zweite Summand entsprechend den Beitrag des Orbitals
φ2 zur Elektronendichte am Kern 2, während der dritte Summand den Beitrag beider Orbitale zur
Elektronendichte der Bindung darstellt. Da man im Normalfall jedoch nur mit Partialladungen der Atome arbeitet geht man
im allgemeinen so vor, daß man die Elektronendichte der Bindung zwischen den beteiligten Atomorbitalen
gleichmäßig aufteilt. So kommt man dann zu Partialladungen, aus denen das Dipolmoment berechnet werden
kann. Im Falle des Cyclohexadienons resultierte aus der Mulliken-Verteilung ein Dipolmoment von 4,7 Debye. Dieser Wert
scheint allerdings etwas zu hoch, da der entsprechende Wert beim Cyclopentadienon mit nur 3,7 Debye gemessen wurde [21]. Die Mulliken-Ladungen im Cyclohexadienon sind zum Teil auch chemisch nicht
einfach einzusehen. So tragen die sp2-Kohlenstoffe 3 und 5 Ladungen von nur -0,16 esu, während das
sp3-Kohlenstoffatom 4 eine Ladung von -0,38 esu trägt. Andererseits tragen die an die sp2-
Kohlenstoffe 3 und 5 gebundenen Wasserstoffatome 9 und 12 Ladungen von +0,21 esu während die Ladungen der
Wasserstoffatome 10 und 11, die an das sp3-Kohlenstoffatom 4 gebunden sind, nur unwesentlich kleiner sind
(+0,20 esu).
Es existiert noch eine theoretische Arbeit aus dem Jahr 1968, in der Werte für das Dipolmoment von
Cyclohexadienon angegeben werden [26]. Bertelli und Andrews berechneten die
Partialladungen der Atome mit der von Pople, Santry und Segal [27] entwickelten
CNDO/2-Methode. Sie erhielten für das Dipolmoment einen Wert von 4,07 Debye. Die von ihnen angegebenen
Ladungen unterscheiden sich zum Teil erheblich von den Werten, die aus der SCF-Rechnung stammen. So geben sie
für die Kohlenstoffe 3 und 5 positive Elektronendichten an, während aus der SCF-Rechnung negative Ladungen
resultieren.
Dieses recht unzufriedenstellende Ergebnis stellt, was die Mulliken-Ladungsdichten aus der SCF-Rechnung angeht,
anscheinend durchaus keinen Einzelfall dar [18].
Aus diesen Rechnungen kann aber trotzdem gefolgert werden, daß das Cyclohexadienon in einer ebenen
Konformation vorliegt. Mit den aus der ab-initio-Rechnung erhaltenen Rotationskonstanten und dem Dipolmoment war es möglich, mit
einem weiteren Programm (BC7) ein Mikrowellenspektrum vorauszuberechnen. Ein solches Erwartungsspektrum ist
für die gezielte Suche nach Linien sehr hilfreich, da so genau die Bereiche abgesucht werden können, in denen
die intensivsten Linien auftreten. Pericyclische Reaktionen, also Reaktionen, bei denen Bindungen synchron und formal kreisförmig verschoben
werden, spielten in dieser Arbeit an vielen Stellen eine entscheidende Rolle, weshalb hier kurz auf die wichtigsten Aspekte
eingegangen werden soll. Doppelbindungen, das ist in der organischen Chemie schon lange bekannt, stellen reaktive Stellen in einem
Molekül dar, die oft sehr interessante Reaktionen ermöglichen. Unter diesen Reaktionen befinden sich auch
solche, in denen Doppelbindungen verschiedener Moleküle miteinander reagieren. Dabei entstehen dann Ketten oder
Ringe. Letztere Reaktionen bezeichnet man allgemein als Cycloadditionen Sie werden meist nach der Anzahl der beteiligten
p-Elektronen klassifiziert. Eine Addition einer Komponente mit a p-Elektronen an eine solche mit b p-Elektronen
bezeichnet man dann als [ap+bp]- oder kurz als [a+b]-Cycloaddition. Eine herausragende Stellung unter diesen
Reaktionen nehmen [4+2]-Cycloadditionen ein. Man bezeichnet sie auch als Diels-Alder-Reaktionen oder als Dien-
Synthesen. Cycloadditionen können, neben der Einteilung nach der Anzahl beteilgter p-Elektronen, auch noch nach dem
zeitlichen Verlauf klassifiziert werden. Man unterscheidet dann stufenweise verlaufende Cycloadditionen und konzertierte
Cycloadditionen.
Abb.12: Konzertierter (a) und stufenweiser (b) Verlauf der Reaktion eines disubstituierten 2-Butens mit Ethen. Im
konzertierten Fall resultiert ein reines cis-Produkt, im Fall einer stufenweisen Reaktion erhält man infolge der freien
Drehbarkeit in der Zwischenstufe eine Mischung aus cis- und trans-substituiertem Cyclobutan.
Wie der Name schon sagt, verlaufen stufenweise Cycloadditionen über eine oder mehrere Zwischenstufen
(Radikale oder 1,4-Dipole), während konzertierte Cycloadditionen keine Zwischenstufen, sondern nur
Übergangszustände aufweisen (vgl. Abb.12). Hier werden beide neuen Bindungen
gleichzeitig - konzertiert - geknüpft. Prinzipiell sind beide Reaktionswege bei ein und demselben System
möglich und welcher von beiden realisiert wird, hängt von den Bedingungen ab.
Die schon weiter oben angesprochene Dien-Synthese stellt eine konzertierte Cycloaddition dar; sie verläuft
demnach als stereospezifische cis-Addition. Doch darüberhinaus zeigt sich bei vielen Dien-Synthesen noch eine
weitere Stereospezifität. Dies sieht man, wenn man die Dimerisierung von Cyclopentadien betrachtet (Abb.13).
Abb.13: Dimerisierung von Cyclopentadien: es entsteht das endo-Produkt.
Eines der beiden Cyclopentadien-Moleküle fungiert als 4p-Komponente (Dien, oben), das andere als
2p-Komponente (Dienophil, unten). Prinzipiell wären jetzt 2 Produkte zu erwarten, nämlich ein endo-
Produkt (VII) und ein exo-Produkt (VIII). Man findet jedoch ausschließlich das endo-Produkt. Auch im Fall der
Addition von Butadien (Dien) an Norbornadien (eine Doppelbindung fungiert als Dienophil-Komponente) zeigt sich ein
stereospezifischer Verlauf, diesmal ist jedoch das exo-Produkt bevorzugt [6], was
wohl nicht zuletzt sterische Ursachen hat.
Abb.14: Stereospezifischer Verlauf der Addition von Butadien an Norbornadien
Daß das Produkt nicht immer vollkommen sterisch einheitlich sein kann, zeigt die durchgeführte
Addition von Trimethylsilylbutadien an Norbornadien. Zwar schließt die stereospezifische Natur der Reaktion von
vornherein die Hälfte der möglichen Produkte aus (alle endo-Produkte), jedoch gibt es auch noch 4 verschiedene
exo-Produkte (vgl. Abb.15). Das liegt daran, daß einerseits das substituierte Butadien in 2
Z/E-isomeren Formen vorkommt und andererseits durch die Methylenbrücke die Symmetrie des Norbornadiens
reduziert ist, so daß es sterisch durchaus einen Unterschied macht, wie das (substituierte) Butadien relativ zum
Norbornadien ausgerichtet ist.
Dabei sind je zwei der Produkte optische Antipoden: (a) und (d) beziehungsweise (b) und (c). Setzt man ein
isomerenreines Butadien ein, so erhält man aus dem Z-Isomeren die Produkte (a) und (d), aus dem E-Isomeren
entstehen (b) und (c).
Abb.15: Mögliche Reaktionsprodukte bei der Reaktion eines substituierten Butadiens mit Norbornadien. Cycloadditionen sind prinzipiell reversibel. Das gilt natürlich auch für den Spezialfall einer [4+2]-
Cycloaddition. Man kann also durch einfaches Erhitzen oft eine Spaltung des Adduktes in seine Diels-Alder-Komponenten
erreichen. Man bezeichnet dies auch als Retro-Diels-Alder-Reaktion oder kurz als RDA.
Im Rahmen dieser Diplomarbeit tauchten solche RDA-Reaktionen dreimal auf. Zunächst einmal ist es ja eine
solche Reaktion, die überhaupt den Zugang zu dem gewünschten Cyclohexadienon ermöglichen sollte.
Die Vorläuferverbindung (VI) sollte thermisch in Cyclopentadien und Cyclohexadienon zersetzt werden.
Eine ähnliche Reaktion findet bei der massenspektrometrischen Untersuchung des Vorläufers (VI) statt.
Hierbei reagiert aber nicht das Molekül selbst, wie oben, sondern das daraus abgeleitete Radikal-Kation. Die Anregung
ist entsprechend nicht thermisch, sondern erfolgt durch das Herausschießen eines Elektrons aus der Valenzschale des
Moleküls. Auf die Unterschiede zwischen diesen beiden Reaktionen wird im experimentellen Teil noch näher
eingegangen.
Abb.16: Thermische RDA-Reaktion zur Darstellung des Cyclohexadienons.
Die dritte Anwendung fand diese Reaktion bei der Darstellung von Cyclopentadien, das nur dimer erhältlich
ist und monomer bereits bei Zimmertemperatur merklich dimerisiert. Da für Referenzmessungen aber monomeres
Cyclopentadien benötigt wurde, mußte das Dimere gespalten werden, was in diesem Fall durch einfaches
Destillieren (allerdings erst bei 170 C) möglich ist. Dabei spielt sich ebenfalls eine Retro-Diels-Alder-Reaktion ab.
Ein weiterer Typ einer pericyclischen Reaktion, der in dieser Arbeite eine gewisse Bedeutung hat, ist die sigmatrope
Reaktion. Als sigmatrope Reaktionen bezeichnet man solche Reaktionen, bei denen ein Substituent mit der
zugehörigen s-Bindung an einem konjugierten p-System entlang wandert. Man klassifiziert solche Reaktionen nach
der Stellung, in der Substituent und Kette anschließend verknüpft sind. Dabei können sowohl einzelne
Wasserstoffatome - dabei handelt es sich dann logischerweise immer um [1,n]-Umlagerungen - (vgl. Abb.17a), als auch größere Substituenten ihre Stellung, beziehungsweise ihre Verknüpfungsart
wechseln - z.B. bei der Cope-Umlagerung, die eine [3,3]-sigmatrope Reaktion darstellt -vgl. Abb.17).
Abb.17a: Beispiel einer [1,5]-sigmatropen Wanderung. 1-Deutero-Inden kann sich in einer [1,5]-D-Wanderung in
Deutero-Isoinden und dieses in einer [1,5]-H-Wanderung wiederum in 2-Deutero-Inden umwandeln (nach [31]).
Abb.17b: Beispiel einer Cope-Umlagerung: 3-Methyl-1,5-hexadien wandelt sich bei 300 C in 1,5-Heptadien um (nach
[32]).
Im Laufe der Arbeit zeigte sich, daß das Cyclohexadienon auch dann sehr schnell tautomerisiert, wenn die
Konzentration an katalytischen Säuren oder Basen, die für eine übliche intermolekulare Tautomerisierung
nötig sind, sehr gering ist. Es wäre deshalb denkbar, daß sich das Cyclohexadienon ohne Reaktionspartner
in das Phenol umlagert.
Ein solcher, hypothetischer, intramolekularer Tautomerisierungsmechanismus des Cyclohexadienons könnte nun
über eine sigmatrope Wanderung verlaufen. Es handelt sich dabei um eine [1,5]-sigmatrope Wanderung eines der
beiden Wasserstoffe der CH2-Gruppe, die sich der Carbonylgruppe gegenüber befindet. Da die Reaktion
synchron verläuft, gelten hier die Woodward-Hoffmann-Regeln und für den sicher vorliegenden thermischen
Fall ist hier mit 4 p-Elektronen und 2 σ-Elektronen, also insgesamt 6 Elektronen (4n+2), mit einem suprafacialen
Verlauf zu rechnen. Dieser ist zwar infolge der anschließenden freien Drehbarkeit der entstehenden OH-Gruppe nicht
nachweisbar, verläuft aber sterisch wesentlich leichter als eine eventuelle antarafaciale Wanderung.
2.4.3 Metallionenkatalyse
2.4.4 Weitere Aspekte
2.4.5 Kinetische Effekte
3 Vorüberlegungen
3.1 Vorgehensweise zur Darstellung des Cyclohexadienons
3.2 Syntheseplan zur Darstellung der Vorläuferverbindung
3.3 Vorbereitende Rechnungen
3.3.1 Abschätzung der voraussichtlichen Struktur durch semi-empirische Methoden
Die Darstellung lehnt sich an eine Newman-Projektion an.
3.3.2 Quantenmechanische Grundlagen
3.3.3 Ab-initio-Rechnung für Cyclohexadienon
Alle Abstände sind der
Übersichtlichkeit halber in Ångström angegeben.
3.3.4 Vorausberechnung des zu erwartenden Spektrums
4 Pericyclische Reaktionen
4.1 Cycloadditionen
4.1.1 Die Diels-Alder-Reaktion als Spezialfall einer Cycloaddition
4.1.2 Stereochemie der Cycloadditionen
4.1.3 Reversibilität der Cycloadditionen
4.2 Sigmatrope Reaktionen